Redeangst
Nervosität verstehen – und mit dem Vagusnerv regulieren
Redeangst
Fast jeder kennt es: Vor einer wichtigen Präsentation, einem Vorstellungsgespräch oder wenn wir im Mittelpunkt stehen, reagiert unser Körper plötzlich mit Nervosität. Herzklopfen, flache Atmung, ein trockener Mund oder eine zittrige Stimme sind typische Begleiter. Aber was steckt dahinter – und wie können wir diese Reaktionen wieder in den Griff bekommen?
Was passiert im Körper?
Unser zentrales Nervensystem steuert alle lebenswichtigen Abläufe. Wenn wir Stress oder Angst empfinden, schaltet der Körper automatisch in den Sympathikus-Modus – den sogenannten „Kampf- oder Fluchtmodus“.
- Die Atmung wird flach und schnell.
- Das Herz schlägt stärker, um uns auf eine vermeintliche Gefahr vorzubereiten.
- Muskeln spannen sich an, der Hals fühlt sich eng an.
- Die Stimme kann zittern oder sogar ganz blockieren.
Früher sinnvoll – heute hinderlich
Evolutionär war dieser Reflex überlebenswichtig: Er half unseren Vorfahren, blitzschnell auf Gefahr zu reagieren – sei es durch Flucht oder Angriff.
Im modernen Alltag ist dieser Reflex bei einer Präsentation oder einem Vortrag jedoch nicht hilfreich. Statt uns zu schützen, blockiert er unsere Stimme und macht souveränes Auftreten schwer.
Die Rolle des Vagusnervs
Hier kommt der Vagusnerv ins Spiel – der längste Nerv unseres Parasympathikus (dem „Ruhe- und Entspannungsnerv“).
Er verläuft vom Gehirn über den Hals bis in Brust- und Bauchraum und hat direkten Einfluss auf:
- die Atmung,
- die Herzfrequenz,
- die Spannung der Muskeln im Hals- und Kehlkopfbereich,
- und damit auch auf unsere Stimme.
Wird der Vagusnerv aktiviert, beruhigt sich der Körper. Der Puls sinkt, die Atmung wird tiefer, und wir können wieder gelassener sprechen.
Was kann man konkret tun?
Es gibt Techniken, um den Vagusnerv gezielt zu stimulieren und das Nervensystem von Stress auf Ruhe umzuschalten:
1. Bewusste Atmung
Zwerchfellatmung aktiviert den Parasympathikus und beruhigt den Körper.
2. Stimmtraining
Im Stimmtraining entstehen Vibrationen im Brustkorb und Hals – das stimuliert den Vagusnerv direkt und entspannt die Stimmbänder. Durch gezieltes Stimmtraining stärkst Du Deine Stimme wie einen Muskel.
Der sichere Umgang mit der eigenen Stimme und das Wissen, dass sie zuverlässig trägt, geben Dir Ruhe und Sicherheit – auch in angespannten Situationen.
3. Kälte-Reiz
Ein kurzer Kältereiz (z. B. kaltes Wasser ins Gesicht spritzen oder ein kaltes Getränk) kann den Vagusnerv anregen und Nervosität dämpfen.
4. Körper entspannen
Lockere bewusst Schultern, Nacken und Kiefer. Kleine Bewegungen und Dehnungen lösen Anspannung, die oft unbewusst gehalten wird.
5. Stimme vorbereiten
Ein kurzes Stimm-Warm-up vor einem Auftritt – Summen, Lippenflattern oder lockeres Sprechen – sorgt dafür, dass die Stimme sich trägt und sicherer klingt.
Fazit
Nervosität ist kein persönliches Versagen, sondern eine normale Reaktion unseres Nervensystems – ein evolutionäres Erbe, das uns früher schützte. Heute brauchen wir andere Strategien: Indem wir den Vagusnerv aktivieren, können wir den Körper aus dem Stressmodus holen, die Stimme stabilisieren und wieder souverän auftreten.
Mit gezieltem Stimm- und Sprechtraining lässt sich dieser Prozess trainieren – bis Nervosität ihren Schrecken verliert und Auftritte zu Chancen werden.